Digitale Transformation im Gesundheitswesen

Mehr Tempo wagen

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2023

Während der Coronapandemie hat es gefehlt, nun soll es kommen: das digitalisierte Gesundheitssystem. Zumindest Medizinerinnen und Mediziner hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mehrheitlich auf seiner Seite. Sie sehen heute vor allem die Vorteile digitaler Gesundheitstechnologien für Kranke, Gesundheitspersonal und die Verwaltung.

Darstellung eines Tablets mit einem Hologramm und ärztlichen Utensilien im Hintergrund.
Die Digitalisierung soll das Gesundheitswesen effizienter machen. Foto: iStock / ipopba

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens kommt nicht so recht voran. Das soll sich nun aber ändern, zumindest wenn es nach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht. Mit der Digitalisierungsstrategie will er den technologischen Wandel des Gesundheitssystems forcieren. „Moderne Medizin basiert auf Digitalisierung und Daten. Ihre Vorteile zu nutzen macht Behandlungen besser“, sagte Lauterbach bei der Vorstellung seiner Strategie. Konkrete Ziele: Bis Ende 2026 sollen mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten durch das „Forschungsdatenzentrum Gesundheit“ realisiert werden. Das E-Rezept soll endlich alltagstauglich werden. Und bereits bis 2025 sollen 80 Prozent der gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePa) samt digitaler Medikationsübersicht nutzen, die Patienten sowie Medizinern neben den Medikamentenplänen auch Informationen zu Vorerkrankungen, Befunde oder Röntgenbilder zugänglich macht. So werden unnötige Mehrfachuntersuchungen vermieden. Zudem können Ärztinnen und Ärzte im Notfall fundiertere Entscheidungen treffen. Die ePa gibt es bereits seit 2021. Noch wird sie von weniger als einem Prozent der Deutschen genutzt. Künftig, so der Plan, soll sie für alle gesetzlich Versicherten angelegt werden. Patienten können dies allerdings auch ausdrücklich ablehnen.

Rückstand aufholen

Deutschlands Gesundheitswesen, auch das gehört zur Wahrheit, „hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück“, so Lauterbach. „Das können wir nicht länger verantworten“, sagt der Minister. 

Denn während andere Staaten uns vormachen, wie ein modernes digitales Gesundheitssystem funktioniert, türmen sich in Deutschlands Kliniken, Praxen und Krankenkassen weiterhin Papierberge auf. So gibt es das E-Rezept in Spanien bereits seit 2005. Der Verbreitungsgrad liegt heute bei 98 Prozent. Auch die ePA, in Spanien Historia Clinica, existiert seit 2015. Patienten und Klinikpersonal authentifizieren sich mithilfe eines elektronischen Personalausweises beziehungsweise eines Eintrags in der Gesundheitsdatenbank. 

Auch in Finnland hat jeder Bürger eine elektronische Patientenakte, Rezepte werden grundsätzlich digital ausgestellt. In Frankreich werden heute immerhin 35 Prozent der Rezepte elektronisch ausgegeben, in Griechenland würden jeden Monat etwa sieben Millionen E-Rezepte eingelöst, hat die Gematik in einer Analyse zur Digitalisierung des Gesundheitswesens in ausgewählten europäischen Ländern festgestellt. „In unseren Nachbarländern nutzen Bürgerinnen und Bürger und das medizinische Fachpersonal bereits ganz selbstverständlich digitale Anwendungen. Das bringt viele Vorteile für Prävention, Versorgung und Behandlung – und genau da wollen wir auch in Deutschland hin“, meint Gematik-Geschäftsführer Markus Leyck Dieken.

Ähnlich sehen das die deutschen Ärztinnen und Ärzte. In einer gemeinsamen Umfrage des Digitalverbands Bitkom und des Ärzteverbands Hartmannbund unter 500 Medizinern gaben 78 Prozent von ihnen an, Deutschland liege im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems zurück. Zwei Drittel (67 Prozent) fordern mehr Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens, und mehr als drei Viertel der befragten Mediziner (76 Prozent) sehen die Digitalisierung grundsätzlich als Chance für die Medizin – 2020 waren es noch 67 Prozent. 

Chancen digitaler Medizin nutzen

Zudem sind knapp zwei Drittel (64 Prozent) der Befragten der Ansicht, digitale Technologien würden die medizinische Versorgung der Menschen grundsätzlich verbessern. Die Hälfte (50 Prozent) verbindet damit auch eine Senkung der Kosten für das Gesundheitssystem. So werden in Krankenhäusern und Arztpraxen bereits vielfach digitale Anwendungen genutzt – nicht nur in der Verwaltung, sondern auch bei Diagnosen und Behandlungen sowie bei Konsilen mit anderen Medizinerinnen und Medizinern. Zu den meistgenutzten Tools zählten digitale Aufklärungsbögen, die Tablet-gestützte Patientenaufnahme und Videocalls zur Abstimmung mit anderen Medizinern oder in der Telesprechstunde. Assistenzroboter zur Unterstützung bei Operationen kamen dagegen erst bei 19 Prozent der befragten Krankenhausärzte zum Einsatz. Ein Viertel derjenigen, die diese nicht nutzten, hielten Robotik im OP jedoch für sinnvoll. Und auch KI-Anwendungen zur Auswertung von Röntgen- oder MRT-Bildern werden erst bei knapp einem Zehntel (9 Prozent) in der Klinik genutzt, weitere 54 Prozent der Krankenhausärzte würden dies aber befürworten.

„Die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland haben sich insbesondere in den vergangenen zwei Jahren stark für die Digitalisierung der Medizin geöffnet. Inzwischen erkennt die weit überwiegende Mehrheit, welche Vorteile die Digitalisierung für die medizinische Versorgung hat“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Die Coronapandemie hat eindrücklich gezeigt, dass Zettelwirtschaft und analoge Verfahren ein Verfallsdatum haben. Zugleich sind durch die Politik zuletzt zahlreiche Weichenstellungen für die Digitalisierung des Gesundheitssektors getroffen worden.“

Bürokratie hemmt die Digitale Transformation im Gesundheitswesen

Doch woran liegt es, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen noch nicht weiter fortgeschritten ist? Gründe dafür sehen die befragten Ärztinnen und Ärzte in der Komplexität des Gesundheitssystems (91 Prozent), in oftmals langwierigen Zertifizierungs- und Genehmigungsverfahren (80 Prozent), der zu starken Regulierung des Gesundheitssektors (76 Prozent), einer zu strengen Auslegung des Datenschutzes (69 Prozent) sowie im hohen Aufwand für IT-Sicherheit (75 Prozent). Zudem mangele es auch an Digitalkompetenz, sowohl bei Patientinnen und Patienten als auch bei der Ärzteschaft. 

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