Digitalisierung im Gesundheitswesen

Digitale Hoffnung

Von Michael Gneuss und Kira Taszman · 2020

Von der Digitalisierung verspricht sich das Gesundheitswesen zahlreiche Verbesserungen wie die effizientere Verwaltung von Praxen und Krankenhäusern, leistungsfähigere medizinische Geräte, genauere Diagnosen sowie neue Erkenntnisse aus der Forschung. Künftig könnte auch die künstliche Intelligenz verstärkt zum Einsatz kommen, um Patienten besser versorgen zu können. Trotz allen Fortschritts birgt die digitale Transformation in der Medizin aber auch Risiken.

Verbildlichung digitaler Technologien in der Medizin
Digitale Technologien werden die Gesundheitsversorgung verbessern. Foto: iStock / ipopba

In den meisten deutschen Arztpraxen ist die Digitalisierung noch nicht so richtig angekommen. Das zeigt der „Digitalisierungsreport 2019: Der digitale Patient im deutschen Gesundheitswesen“. Das Marktforschungsinstitut Splendid Research hat im Auftrag der Samedi GmbH den Status quo der Digitalisierung im Gesundheitswesen ermittelt. Danach sind erst fünf Prozent der Deutschen mit einer digitalen Patientenakte in Berührung gekommen. Nur drei Prozent haben beim Arzt schon einmal einen Self-Check-in durchgeführt und auf diese Weise zum Beispiel digital einen Anamnese-Fragebogen ausgefüllt, um das Praxis-Personal zu entlasten. Ebenfalls nur drei Prozent der Deutschen besitzen einen digitalen Impfpass. Der Grund: Viele Arztpraxen und Kliniken bieten hierzulande solche digitalen Services noch nicht an.

Digitale Services für Patienten

Dabei ist die Bereitschaft, digitale Angebote des Gesundheitssektors zu nutzen, bei vielen Patienten durchaus vorhanden. Laut dem Samedi-Digitalisierungsreport würden 73 Prozent der Patienten ihre Termine online buchen, wenn das möglich wäre. Derzeit können aber erst 35 Prozent eine Online-Terminbuchung nutzen. Bereits 34 Prozent suchen online nach einem Arzt. Jeder Vierte lässt sich per E-Mail oder SMS an den Arztbesuch erinnern und immerhin 15 Prozent nutzen Gesundheits-Apps. Dass der Wille zur Erforschung und Optimierung der eigenen Gesundheit vorhanden ist, zeigt auch die zunehmende Nutzung von Fitness-Apps, die mit Wearables – in die Kleidung integrierte oder am Körper getragene Mini-Computersysteme – synchronisiert werden, um Blutdruck, Puls oder Blutzuckerspiegel zu überprüfen. Das Smartphone kann zudem durch Ernährungs- oder Monitoring-Apps weiterhelfen. Letztere erinnern an die rechtzeitige Einnahme oder den Einkauf von Medikamenten. Wichtig ist das vor allem für chronisch Kranke mit Bluthochdruck, Parkinson oder Diabetes.

Digitalisierung im Gesundheitswesen qua Gesetz

Die Bundesregierung will per Gesetz die Patientenversorgung modernisieren. Im Dezember 2019 ist das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation – kurz: Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) – in Kraft getreten. Es stellt die Weichen dafür, dass Patienten künftig Gesundheits-Apps auf Rezept erhalten, Online-Sprechstunden einfach nutzen und überall bei Behandlungen auf das sichere Datennetz im Gesundheitswesen zugreifen können. Die Zahl von Videosprechstunden ist laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Corona-Zeiten enorm angestiegen: Ende April 2020 benutzten bereits 25.000 Arztpraxen, sprich ein Viertel aller Praxen hierzulande, diesen Service. Das ist ein Anstieg von rund 1.370 Prozent. Wegen der Pandemie können Ärzte derzeit bis Ende des Jahres alle Videosprechstunden bei den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen. Zuvor durfte maximal jeder fünfte Patientenkontakt digital stattfinden. So kann derzeit eine grundlegende Kommunikation erhalten und zudem die Ansteckungsgefahr im Wartezimmer verringert werden. Allerdings nehmen technologieferne, vor allem ältere, Patienten solche Angebote kaum wahr.

Digitalisierte Medizintechnik

Einen enormen Anstieg der Umsätze durch Digitalisierung prognostiziert eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger dagegen der Medizintechnikbranche. Durch innovative Anwendungen könnten demnach allein bei den Medizintechnikproduzenten in Deutschland bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Darüber hinaus ließen sich in den kommenden zehn Jahren mit neuen digitalen Produkten und Services bis zu 15 Milliarden Euro Umsatz erzielen. Die Studie bezieht sich dabei auf Innovationen durch Vernetzung, Sensorik, Big Data, künstliche Intelligenz oder effizientere Unternehmens- und Klinik-Prozesse.

Künstliche Intelligenz in Krankenhäusern

Auch künstliche Intelligenz (KI) birgt ein enormes Potenzial für eine optimierte medizinische Behandlung. So könnten Patienten und Krankenhäuser beispielsweise in der Intensivmedizin und Anästhesie von KI profitieren, erklärt Prof. Bettina Jungwirth, Ärztliche Direktorin in der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin des Universitätsklinikums Ulm, auf der Website der Medizin-Messe „MEDICA 2020“. Enorme Datenmengen könnten dank KI gefiltert und vor allem strukturiert werden. Das Ziel sei eine möglichst genaue Risikovoraussage und eine darauf basierende individualisierte Therapie, die das Risiko von postoperativen Komplikationen senken könne. Bei Patienten auf Stationen könnte ebenfalls durch KI ermittelt werden, ob sie womöglich später auf die Intensivstation müssen – eine Methode, die gerade in der Corona-Zeit Leben retten könnte. So würden KI-Methoden Krankenhäusern und Stationen eine höhere Planungssicherheit garantieren. Eine Voraussetzung ist allerdings eine Verbesserung der Datenqualität. Derzeit sind noch 70 bis 80 Prozent der medizinischen Daten unstrukturiert. Sie müssten für Maschinen lesbar werden, damit man sie in große Datenbanken einfließen lassen und für KI-Prozesse einsetzen könnte. Doch bis solche Szenarien Wirklichkeit werden, hat Deutschland noch eine Menge Aufholbedarf in puncto Digitalisierung. Nicht einmal ein Drittel der Medizintechnik-Anbieter und der Krankenhäuser investieren mehr als 2,5 Prozent ihres Umsatzes in Digitalisierungsprojekte, so eines der Ergebnisse der Studie „Gesundheit 4.0: Warum Deutschland Leitmarkt für die digitale Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik werden muss und was jetzt zu tun ist“ von Roland Berger und Spectaris, dem Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien, aus dem Jahr 2018. Zwei Drittel der im Rahmen der Studie Befragten schätzen den Digitalisierungsgrad der deutschen Gesundheitswirtschaft als eher gering ein.

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